Wie
schwer ist Manhatten?
Vorstellungsgespräche
können ganz schön öde sein:
„Erzählen Sie doch mal was über
sich.” „Was sind Ihre Schwächen?”
Tausendmal gehört, tausendmal geübt.
Gähn. „Und jetzt erklären
Sie mir doch bitte mal, warum Kanaldeckel
rund sind.” Hä? Was erwartet
der Kerl jetzt von mir? - Ganz einfach:
Eine logische und gut strukturierte Antwort.
Denn die Kanaldeckel-Frage ist ein so genannter
Brainteaser, ein gängiges Auswahl-Instrument
für Jobs, in denen analytisches Denken
und kreative Problemlösung gefragt
sind.
„Bei
Unternehmensberatungen muss man in jedem
sechsten Vorstellungsgespräch mit einem
Brainteaser rechnen, bei Investmentbanken
sogar in jedem dritten”, weiß
Stefan Menden, Herausgeber und Co-Autor
des Buches „Das Insider-Dossier: Brainteaser
im Bewerbungsgespräch”.
Auch
in einigen Assessment Centern setzen Interviewer
die kniffligen Kopfnüsse ein. „Meist
stellen wir im ersten Gespräch eine
Schätzaufgabe”, sagt Marcus Kerwin,
Recruiting-Leiter der Unternehmensberatung
Bain & Company. Größenschätzungen
(„Wie schwer ist Manhattan?")
gehören neben Knobelaufgaben („1
1/2 Hühner legen an 1 1/2 Tagen 1 1/2
Eier. Wie viele Eier legt ein Huhn an einem
Tag?" Antwort: 2/3 Eier) zu den bevorzugten
Brainteasern.
Den
Personalern geht es dabei nicht so sehr
um das korrekte Ergebnis, sondern um den
Weg dorthin. „Ich will den Intellekt
und die Kreativität eines Bewerbers
spüren, sein logisches Denken und seine
Art zu kommunizieren”, erklärt
Just Schürmann, fürs Recruiting
zuständiger Geschäftsführer
der Boston Consulting Group. Lautes Denken
ist daher Pflicht. Aber mit Bedacht: Schnellschießer,
die nach 3o Sekunden eine Lösung präsentieren,
sind ebenso unerwünscht wie Kandidaten,
die unüberlegt drauflosquatschen.
„Vorbereitete
Kandidaten sehen in der Regel besser aus”,
weiß Marcus Kerwin. Knobelaufgaben
etwa lassen sich in der Karriere-Community
www.squeaker.net üben, die Beispiele
zusammengetragen hat. Für Schätzaufgaben
empfiehlt es sich, Dreisatz und Kopfrechnen
mit großen Zahlen zu trainieren. Hilfreich
ist es außerdem, sich gängige
Eckdaten einzuprägen, etwa Einwohnerzahlen,
die Zahl der Kinder und Autos in Deutschland
sowie Umsatz und Mitarbeiterzahl der einstellenden
Firma.
„Alle
Brainteaser sind von jedem lösbar”,
macht Stefan Menden Bewerbern Mut. Tatsächlich?
Machen Sie den Test: Decken Sie bei den
folgenden Brainteasern die Lösung ab
und rätseln Sie selbst drauflos. Viel
Spaß und viel Erfolg!
DIE
KLASSIKER
KUGELN
WIEGEN
Vor Ihnen liegen neun Kugeln gleicher Größe
und eine Apothekerwaage mit zwei Waagschalen.
Eine der Kugeln ist etwas schwerer als die
anderen. Wie finden Sie mit nur zwei Wiegevorgängen
heraus, welche das ist?
Dies
ist der mit Abstand am häufigsten verwendete
Brainteaser. Die Lösung: Legen Sie
je drei Kugeln in die Waagschalen. Die restlichen
drei werden nicht gewogen. Jetzt gibt es
zwei Möglichkeiten: Entweder die Waagschalen
sind im Gleichgewicht - dann muss die schwerere
Kugel unter den drei nicht gewogenen sein.
Oder eine der Waagschalen neigt sich nach
unten. Dann liegt die schwerere Kugel dort.
Nehmen Sie nun die drei Kugeln, unter denen
sich die schwerere befindet, und legen Sie
je eine in die Waagschalen. Jetzt ist es
einfach: Sind die Schalen im Gleichgewicht,
so muss die nicht gewogene Kugel die schwere
sein. Senkt sich eine Schale, enthält
sie die schwere Kugel.
GLÜHBIRNEN
TESTEN
Sie befinden sich in einem Raum mit drei
Lichtschaltern. Diese führen zu drei
Glühbirnen im Nebenraum. Ihre Aufgabe
ist es herauszufinden, welcher Schalter
mit welcher Glühbirne verbunden ist.
Alle Lampen sind zunächst ausgeschaltet,
und man kann nicht von einem Raum in den
anderen sehen. Sie dürfen den Nebenraum
nur einmal betreten. Wie können Sie
trotzdem erkennen, welcher Schalter zu welcher
Glühbirne gehört?
Hier
ist Ihre Fähigkeit zum Querdenken gefragt.
Denn ob eine Birne geleuchtet hat oder nicht,
können Sie nicht nur mit den Augen
überprüfen, sondern auch durch
Fühlen. Schalten Sie Lichtschalter
1 ein und warten sie einige Minuten. Dann
schalten Sie ihn wieder aus. Legen Sie Schalter
2 um, lassen Sie Schalter 3 unangetastet
und gehen Sie in den Nebenraum. Eine Birne
brennt - diese muss also mit Schalter 2
verbunden sein. Fassen Sie die anderen beiden
Birnen an. Diejenige, die wärmer ist,
hat eben noch gebrannt, muss also mit Schalter
1 verbunden sein. Die kalte Birne gehört
zu Schalter 3. Das ist die Standardlösung.
Sie können aber auch ganz andere, kreativere
Vorschläge machen: zum Beispiel mit
einer Bohrmaschine ein Loch in die Wand
zu bohren und hindurchzuschauen. Oder einen
Spiegel so zwischen den beiden Türen
zu platzieren, dass Sie um die Ecke in den
Nebenraum schauen können. Oder jemanden
per Telefon zu Hilfe zu rufen. Ihrer Fantasie
sind keine Grenzen gesetzt.
ANKER,
BOOT UND WASSERSPIEGEL
Sie sitzen in einem Ruderboot auf einem
See und haben den Anker ausgeworfen. Wie
verändert sich der Wasserspiegel, wenn
Sie den Anker ins Boot zurückziehen?
Falls Sie sich sofort gedacht haben „Er
sinkt natürlich”, dann sind Sie
bereits reingefallen. Ein gutes Beispiel
dafür, dass man bei Brainteasern besser
nicht seiner ersten Eingebung folgen, sondern
gründlich nachdenken sollte. Der Wasserspiegel
steigt an, denn der schwere Anker lässt
das Boot tiefer ins Wasser eintauchen. Die
jetzt verdrängte Wassermenge ist größer
als die eines Ankers, der direkt im Wasser
liegt.
DECKEL
ERGRÜNDEN
Warum sind Kanaldeckel rund? Immer wieder
gerne genommen, diese Frage. Entwickeln
Sie so viele Antworten wie möglich,
auch abseitige: Weil runde Kanaldeckel im
Gegensatz zu eckigen nicht ins Loch fallen
können. Weil man sie rollen und so
besser transportieren kann. Weil auch Rohre
rund sind. Weil man für runde Deckel
weniger Material braucht. Weil keine Ecken
abbrechen können. Weil sich in den
Ecken mehr Schmutz absetzen würde.
Weil dicke Kanalarbeiter in eckigen Öffnungen
eher stecken bleiben als in runden ...
DIE
WAHRHEIT FINDEN
Sie sind zum Vorstellungsgespräch eingeladen
und stehen jetzt vor zwei Türen. Eine
führt zum Interview, die andere zum
Aus-gang. Vor jeder Tür steht ein Unternehmensberater.
Einer von ihnen arbeitet für eine Firma,
die immer lügt, der andere für
eine Firma, die immer die Wahrheit sagt.
Sie können eine Frage stellen, um herauszufinden,
welche Tür die richtige ist. Was fragen
Sie? Der Trick ist, mit einer „Was-wäre-wenn-Frage”
zu arbeiten, die beide gleich beantworten
müssen. Fragen Sie also einen der beiden
Berater: „Wenn ich Sie fragen würde,
ob dies die richtige Tür ist, was würden
Sie antworten?” Der ehrliche Berater
wird natürlich Ja sagen (wenn es die
richtige ist) oder Nein (wenn es die falsche
ist). Der verlogene Berater muss nun aber
die Tatsache verleugnen, dass er Sie normalerweise
anlügen würde. Er wird die Frage
also ebenfalls mit Ja (bei der richtigen
Tür) und mit Nein (bei der falschen
Tür) beantworten.
NEUE
BRAINTEASER
GÜTERZUG
IN GANG SETZEN
Warum muss ein langer, schwerer Güterzug
manchmal erst ein Stück rückwärts
fahren, bevor er losfährt?
Das Rückwärtsfahren bewirkt, dass
die Kupplungen zwischen den Waggons durchhängen.
Wenn die Lok anfährt, muss sie deshalb
zunächst nur den ersten Waggon anziehen.
Bis die Kupplung zwischen Waggon 1 und 2
gespannt ist, rollt Waggon 1 schon und hilft
durch seine bewegte Masse, die anderen Waggons
in Bewegung zu setzen. Mit jedem weiteren
Waggon wird vorne mehr Bewegungsenergie
aufgebaut, und es wird leichter, auch die
hinteren Waggons anzurucken.
GUPPYS
FISCHEN
In einem Aquarium schwimmen 200 Fische,
von denen 99 Prozent Guppys sind. Wie viele
Guppys müssen Sie herausfischen, damit
im Aquarium nur noch 98 Prozent Guppys sind?
Sie können leicht errechnen, dass im
Aquarium 198 Guppys und zwei andere Fische
schwimmen. Sie brauchen aber ein Verhältnis
von 98 zu zwei, um auf die gewünschte
Prozentzahl zu kommen. Also müssen
Sie Zoo Guppys (198 - 100 = 98) herausfischen.
DER
MOND-TEST
Was wiegt auf dem Mond mehr als auf der
Erde? Der Mond hat eine geringere Schwerkraft
als die Erde, das ist klar. Aber damit allein
lösen Sie das Rätsel nicht. Welchen
Unterschied gibt es also noch? Die Erde
hat eine Atmosphäre, der Mond nicht.
Objekte, die leichter sind als Luft - etwa
ein mit Helium gefüllter Ballon-, können
nur in einer Atmosphäre aufsteigen.
Auf dem Mond jedoch fehlt der Auftrieb,
und der Ballon würde sich trotz der
geringeren Schwerkraft auf einer Waage bemerkbar
machen. In der Realität zerplatzt ein
Ballon im Vakuum natürlich sofort.
Aber darum geht es hier nicht ...
SCHÄTZAUFGABEN
Wie
schwer ist Manhattan?
Das wahre Ergebnis werden Sie nie rauskriegen
- das weiß auch der Fragesteller nicht.
Hier geht es nur darum, mit welcher Methode
Sie herangehen. Kenntnisse über die
Stadt helfen natürlich: Die Insel besteht
aus zwölf Avenues, die von Süden
nach Norden verlaufen, und aus 218 Streets
in Ost-West-Richtung. Dazwischen liegen
Häuserblocks. Schätzen Sie nun
beispielsweise, dass jeder Häuserblock
300 Meter breit ist (Ost-West) und 100 Meter
lang (Nord-Süd). Dann wäre Manhattan
etwa 3,3 Kilometer breit und 21,7 Kilometer
lang. Damit sind Sie schon sehr nahe an
der Realität. Multiplizieren Sie die
Länge mit der Breite, und Sie erhalten
die Grundfläche. Damit das Rechnen
schneller geht, können Sie runden.
Als nächste Zahl brauchen Sie die Tiefe
Manhattans. Sie können willkürlich
die Tiefe von einem Kilometer annehmen,
oder Sie beschränken sich auf die Landmasse
oberhalb des Meeresspiegels. Da Manhattan
an der Küste liegt, scheinen 20 Meter
über Normalnull realistisch. Um das
Volumen zu bekommen, multiplizieren Sie
die Grundfläche mit der Tiefe. Jetzt
erinnern Sie sich an die Granitfelsen im
Central Park und nehmen an, dass Manhattans
Untergrund daraus besteht. Schätzen
Sie, wie viel ein Kubikmeter Granit wiegt,
und multiplizieren Sie die Zahl mit dem
Volumen - dann haben Sie das Gewicht von
Manhattan, bevor der Mensch dort siedelte.
Im nächsten Schritt fügen Sie
mit ähnlichen Schätzungen das
Gewicht der Gebäude, Verkehrsmittel
und Bewohner Manhattans hinzu.
Wie
viel Geld liegt in einem durchschnittlichen
Einkaufszentrum auf dem Boden?
Dafür müssen Sie erst einmal das
"durchschnittliche Einkaufszentrum"
definieren - oder vielmehr die Zahl seiner
Kunden. Nehmen wir an, ein Einkaufszentrum
wird pro Tag von 20.000 Kunden besucht.
Wie viele von ihnen verlieren Geld? Da die
meisten Menschen auf ihr Geld gut aufpassen,
wird es vielleicht jeder 5o. Besucher sein
- also 400 pro Tag. Wie viel Geld verliert
jeder von ihnen? Es sind wohl eher kleinere
Beträge, meist Cent-Münzen. Gehen
wir davon aus, dass im Schnitt 20 Cent verloren
gehen. Macht 8o Euro. Die Hälfte davon
wird von anderen Kunden sofort aufgehoben.
Bleiben also insgesamt 40 Euro pro Tag.
Punkten können Sie, wenn Sie erwähnen,
dass sich die Summe durch Brunnen erhöhen
könnte, in die Besucher Kleingeld werfen.
Wie
groß ist der Markt für Wegwerfwindeln
in China?
Eine typische Marktgrößen-Frage.
Fangen Sie mit der Einwohnerzahl von China
an - es sind 1,3 Milliarden. Da die Bevölkerung
dort relativ jung ist, könnten 600
Millionen Menschen im richtigen Alter fürs
Kinder-kriegen sein. Die Hälfte davon
sind Frauen. Die chinesische Regierung propagiert
die Ein-Kind-Familie, deshalb nehmen wir
an, dass im Schnitt jede Frau ein Kind bekommt.
Damit gäbe es 300 Millionen Kinder.
Wie viele davon sind jünger als zwei
Jahre? Vielleicht ein Zehntel. Also gibt
es in China 30 Millionen mögliche Käufer
von Wegwerfwindeln.